Stellungnahme der von Übergriffen im Audimax betroffenen Refugees

Wir veröffentlichen hier Gedächtnisprotokolle und Statements von Geflüchteten aus den ersten Sitzreihen im Publikumsraum des Audimax der Uni Wien.

Die hier im Folgenden berichtenden sieben Personen gehörten einer Gruppe von mehreren Dutzend Refugees aus Wiener Notunterkünften und Geflüchtetenheimen an, die auf Einladung der Schweigenden Mehrheit am 14.4.2016 die Theatervorstellung „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ im Audimax besucht haben.

Zwei der sieben Personen haben im Zuge des Überfalls durch die rechtsextreme Schlägertruppe der „Identitären“ Verletzungen erlitten und mussten medizinisch versorgt werden.

Audimax kurz nach Einlass: hier werden die Betroffenen zu sitzen kommen.

Audimax kurz nach Einlass: hier (Pfeil) werden die Betroffenen zu sitzen kommen.

Die Interviews mit ihnen wurden am Tag nach den Ereignissen von Betreuer*innen der Einrichtungen und mit Hilfe zweier Übersetzer*innen geführt, die ihrerseits zu den Geflüchteten gehören. Bei allen Betroffenen handelt es sich um Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus dem Irak und aus Syrien fliehen mussten.

Sie wünschen eine Veröffentlichung ihrer Aussagen und bitten darum, dass Gewaltakte gegen Schutzsuchende wie sie am 14.4. im Audimax begangen wurden, verhindert werden.

Frau (verletzt am Bauch, frisch operiert in Bauchgegend):

Anamnese: „Bei einer Veranstaltung für Flüchtlinge von Rechtsextremen in den rechten Oberbauch geschlagen.

Eine ihr unbekannte Personengruppe stürmt die Theatervorstellung. Es ist dunkel. Sie sitzt vorne in der ersten Reihe, sie sieht, wie jemand mit der Faust ins Gesicht geschlagen wird, einem Mann aus dem Publikum. Sie sieht, dass er blutet. Zuerst denkt sie kurz, dass es zum Schauspiel gehört.

Als sie sieht, dass er richtig blutet, bekommt sie große Angst, will weglaufen und wird von einer Person der „Identitären“ beim Versuch davonzulaufen geschlagen. Sie bekommt seinen Ellbogen in den rechten Oberbauch. Dadurch fällt sie rückwärts auf den Sessel zurück und bekommt noch einen beabsichtigten Tritt ins Sprunggelenk, dass bereits verletzt ist.

Sitzplätze der betroffenen Refugees beim Überfall durch die Rechtsextremen.

Position der Refugees in der ersten Sitzreihe beim Überfall durch die Rechtsextremen.

Sie sieht den Schlagenden in der Dunkelheit nicht genau, er hatte lange zusammengebundene Haare, sie kann nur das Profil sehen. Die Männer vor ihr waren zudem tätowiert. Sie rafft sich auf und rennt aus dem Saal hinaus.

Die letzte Nacht konnte sie nicht schlafen. Sie war bis 3 Uhr in der Nacht wach, weil sie riesige Angst hatte. Ihre Schwester hat sie angerufen. Sie hat im kurdischen TV gesehen, dass es diesen Vorfall gab; auch in Kurdistan wurde darüber berichtet.

Schwangere Frau (durch Schlag in Bauch verletzt worden):

Sie sitzt in der ersten Reihe, neben ihr ihr Mann und eine andere Frau (Anmerkung: es handelt sich um die oben berichtende Frau). Sie weiß nicht ganz genau, wer sie erwischt hat. Kunstblutfarbe wurde von der vor der Bühne sich aufbauenden Personengruppe auf die ersten Reihen gespritzt und sie hat viel von dieser Farbe abbekommen.

Sie versucht rauszulaufen und bekommt einen harten Schlag in den Bauch, sie weiß nicht, ob es die Faust, ein Ellbogen oder ein Gegenstand war. Dann gelingt es ihrem Mann und ihr Hand in Hand aus dem Saal rauszukommen.

Sie macht eine polizeiliche Aussage, wird ins Krankenhaus gebracht und bleibt zur Beobachtung über Nacht im Spital, weil sie schwanger ist und Schmerzen hat. Sie hatte Angst und wollte eigentlich nicht ins Krankenhaus, aber die Polizei hat gesagt, dass sie gehen muss.

Sie hatte so wie die andere von den Identitären geschlagene Frau Angst vor der Gruppe, vor allem, weil sie diese nicht als Rechtsextreme erkennen konnte.

Jetzt kennen beide die Fahne der Rechtsextremen und wissen, dass es eine solche Gruppe gibt.

Frau mit Kind:

She didn’t know who the guys that came into the theatre were. She only saw the fighting and heard the people scream. She was holding onto her child to protect it and was afraid to move. She was also sitting in the first row.

They came from two sides (the two doors). She saw blood on the floor, but she did not know that it was color and not blood. Afterwards a man who was cleaning the „blood“ told her that it’s not blood but color.

„I left my country because of fighting and blood because I thought it was safe here. I did not know that things like that happen here. I am a woman traveling alone, so I am not able to protect myself. What I saw yesterday made me really afraid that I could also be hurt here. If you can tell the government to stop this. Don’t make me think that this is like in my country.“

She did not sleep yesterday night, because she was really afraid. Her child who was with her, was also really afraid, so she had to hug him all night.

„What I saw yesterday, reminded me of my country: militia is coming from one side and ISIS from the other side and the army does not protect us. And now I find myself in a situation in which I feel in the same situation again – high voices, screaming, only that they are not using guns anymore. Tell the people that we are not fighting, not violent people. I don’t feel safe here anymore. Thank you very much for supporting us.“

Frau:

„I am a little afraid, I was also sitting in the first row. I was not hurt. My daughter was not with me, so I was not afraid. Only if my children would have been with me, this would have been a problem for me. I was not afraid a lot, because I believe, that maybe 80% of the people in Austria are with us.“

Frau mit Kleinkind:

„Yesterday I sat in the first row. And what happened surprised me. I thought it was actors but when I heard the screaming and I saw the color I got nervous. I even forgot that my one month old baby was in my arms. It made me feel like in my country because if things like this happen in my country, people are dying. I did not know what this fighting was and for what reason. I already saw things like this happen in Syria, and this made me feel like if I was back in Syria again.

I was holding onto my son and trying to leave the room, but someone pushed me. I turned with my back to the scene and then someone pushed me. My head feels like it is exploding because of what I saw yesterday. I am crying a lot for my son who is born here in Austria. I was protecting him and I really thought that I am back in Syria.“

Mann:

„Yesterday we were sitting in the first row. The light was shut. Then the door was pushed open aggressively, there was screaming and maybe 20 people entered violently the room. Flyers were thrown around. I was afraid a lot about the families that were with us.

First I thought this is part of the show, but then I realized that this was fighting. Nobody touched me, but I was full of red color. I saw color on the hands of somebody and thought that this person has been hit and was bleeding.

I was quietly sitting on the chair, afraid. The refugee actors got away from the stage. The nazis were fighting in front of us. All this has happened in the small space between the stage and the first row. I was very afraid for the women and the babies.“

Mann:

He reports the same. He opened the door in order to help people leave the room.

 

Weiterführendes:

► I. Brickner (DerStandard): Berichte über Schläge für Flüchtlinge bei Identitären-Störaktion
► M. Sterkl (DerStandard): Verfassungsschutz ermittelt gegen Identitäre
► Antifa Recherche Wien: Beteiligte „Identitäre“ an Audimax Störung

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  • Die schweigende Mehrheit sagt JA

    JA zur Solidarität mit Menschen in Not!
    JA zu einem Dach überm Kopf für ALLE!
    JA zu einer menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen!